Aufforstungsprogramme in Afrika – Wenn Bäume an den falschen Orten gepflanzt werden

Bis 2030 soll in Afrika eine Fläche so groß wie Frankreich aufgeforstet werden. Doch Forscherinnen warnen vor Anpflanzungen von Bäumen in Savannen und fordern einen Stopp. Zudem gibt es ein Problem mit der Definition von Wald. Es sind millionenschwere Projekte, die gut gemeint sind, aber nichts Gutes bewirken.

Bäume pflanzen, das ist immer gut? Ganz so einfach ist es nicht, denn wenn man sie dort pflanzt, wo sie nichts zu suchen haben, können ganze Ökosysteme zerstört und der Lebensraum von Tieren vernichtet werden – zum Beispiel in den Savannen und Graslandschaften Afrikas. 

Die „African Forest Landscape Restoration Initiative“ (AFR100) sieht vor, bis zum Jahr 2030 mehr als 100 Millionen Hektar Land aufzuforsten. Sie wurde vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) gemeinsam mit der Entwicklungsagentur der Afrikanischen Union und dem World Resources Institute (WRI) aus den USA gegründet und auf der Pariser Weltklimakonferenz 2015 auf den Weg gebracht.

Für die Länder in Afrika ist es äußerst lukrativ, denn Projekte dieser Art werden aus prallen europäischen Fördertöpfen finanziert. Deutschland ist einer der wichtigsten Geldgeber: 83 Millionen Euro fließen bis 2027 aus dem deutschen Entwicklungsetat. Das Ministerium betont, dass die Auswahl der Flächen mit Partnern vor Ort stattfinde und wissenschaftlich begleitet werde, auf ökologische Auswirkungen und Risiken werde geachtet. 

Allerdings warnt nun eine Gruppe Forschender vor der Herangehensweise. Solche Aufforstungsprogramme könnten in einigen Gebieten mehr schaden als nutzen, schreiben Wissenschaftler:innen aus Universitäten in Liverpool und Pretoria in einem Beitrag für die Zeitschrift „Science“. Demnach liegen 52 Prozent der für die Pflanzungen vorgesehen Flächen in Savannen und Graslandschaften, weil diese anscheinend fälschlicherweise als Waldgebiete klassifiziert wurden. 

Schon wenn Baumkronen gerade mal 10 Prozent der Fläche bedecken, wurde ein Gebiet als Wald eingestuft, zum Beispiel am Rande von Savannen. Verwendet wird die Definition der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation: Wald ist demnach ein Gebiet, das die Kronen von Gehölzen zu mindestens zehn Prozent abdecken. Viele Wissenschaftler:innen halten diese Definition für unangebracht, besonders in Anbetracht der weltweiten Anwendung. Der Ökologe Manfred Finckh von der Universität Hamburg sagt sogar, durch diese „ökologisch unsinnige Definition von Wald“ würden Geldmittel zur Wiederherstellung fehlgelenkt.

An dem Beispiel Afrika kann man das sehen: Insgesamt 18 der 35 Länder führen mehr potenziell mit Bäumen bepflanzbare Landfläche auf, als eigentliche, ursprüngliche Waldflächen vorhanden sind. Knapp ein Fünftel der Flächen ist verteilt auf acht Länder, in denen überhaupt kein Wald zu finden ist.

Werden Teile Afrikas also bald zur Waldlandschaft, mit Hirschen und Wildschweinen vielleicht? Die Forschenden warnen eindringlich davor, einfach so Wald anzupflanzen. „Wir müssen handeln, um eine Situation zu vermeiden, in der wir die Savanne vor lauter Bäumen nicht mehr sehen und diese wertvollen Graslandschaften unwiderruflich verloren gehen“, schreiben sie in dem Science-Beitrag. 

Denn es würden zudem auch noch zu 60 Prozent Baumarten verwendet, die dort nicht heimisch seien, darunter für die Ökosysteme sehr gefährliche Arten, wie eine aus Australien stammende Akazienart oder Eukalyptusbäume, die den Wasserhaushalt gefährden. „Wir haben vermutet, dass viel schiefläuft, aber wir hatten keine Ahnung, wie groß das Ausmaß ist“, sagt Hauptautorin und Studienleiterin Kate Parr von der University of Liverpool. „Das Problem ist gewaltig – Furcht einflößend“.

Sven Günter vom Thünen-Institut in Hamburg gibt den Forschenden aus Liverpool und Pretoria recht. Walddefinitionen würden leider nicht auf ökosystemaren Zusammenhängen basieren, sagt er dem Science Media Center Deutschland. Vielen Aufforstungsprojekten lägen einfach zu messende Parameter wie die Anzahl gepflanzter Bäume als Zielgröße für Erfolg zugrunde. „Wichtiger und richtiger wäre, die verbesserten Umweltdienstleistungen und die verbesserten Lebensumstände für die lokale Bevölkerung als Erfolgsgröße zu definieren“.

Das Aufforstungsprogramm sollte dringend gestoppt werden, bevor intakte Savannen-Ökosysteme zerstört werden und diese Programme auch in Ländern wie Indien und Brasilien großen Schaden anrichten könnten. Die Industriestaaten müssten ihre Milliardenprogramme transparenter und vielfach sachkundiger umsetzen, wenn sie sich nicht dem Verdacht des Greenwashings aussetzen wollen, schreiben die Forschenden in „Science“. Das eigentliche Ziel einer ökologischen Sanierung werde in Afrika dramatisch verfehlt.

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